Krugdistrikte
Um die Anzahl der Krüge in Varel nicht zu groß werden zu lassen, wurden jedem Krug ein bestimmter Distrikt zugeteilt, in dem sich kein zweiter Krug niederlassen durfte. Das geschah auch um die Existenz der Krüge dadurch abzusichern, dass der Einzugsbereich möglicher Gäste nicht zu klein war. Die Grenzen der Krugdistrikte waren aber in den meisten Fällen nur allgemein und daher oft ungenau beschrieben, so dass es häufig zu Streitereien kam, wie den Polizeiakten zu entnehmen ist. Vorschriften oder gebräuchliche Regeln dafür gab es wohl nicht. So sind die in den folgenden Angaben beschriebenen Versuche von Interesse, derartige Grenzen eindeutig festzulegen oder die in den Heuer - Verträgen vorhandenen Angaben auszulegen. Sie zeigen eigentlich immer wie-
der, daß solche Regulierungen kaum möglich sind. Gäste suchen sich ihre Gaststätten und Krüge nach anderen Gesichtspunkten aus, als die Eigentümer oder Wirte. Auch der beschriebene Versuch zur Verlegung des Heyen - Kruges an den Haferkamp ist dafür ein bezeichnendes Beispiel. Im Folgenden werden ähnliche Beispiele und Bemühungen erläutert, die eine Klärung in Streitfällen herbeiführen sollten.
Die Wirte Martens und Bultmann waren von der Kammer angezeigt worden, da sie ohne Genehmigung Branntwein ausgeschenkt hatten. Ihnen war daraufhin mit Dekret
vom 20. November 1759 verboten worden, Branntwein in Gläsern auszuschenken und in Mengen von weniger als einem Ohrt zu verkaufen, wenn sie sich nicht mit den Krügern des Distrikts ordnungsgemäß geeinigt hätten. Dagegen hatten die Beschuldigten Einwendungen erhoben, da sie nicht wüssten, zu welchem Distrikt welchen Krügers sie gehörten und mit wem sie sich abzusprechen hätten. So baten sie am l. Dezember 1759
um die Klärung folgender Fragen:
Wer ist der Krüger, der die Krugpacht in dem Distrikt bezahlt, in dem die Angezeigten wohnen?
Mit welchem Krüger müssten sie sich absprechen?
Wie weit geht der Distrikt des Krügers oder wie viele Häuser an beiden Seiten oder gegenüber vom Krug werden dem betreffenden Distrikt zugerechnet?
Ohne diese Angaben könne man keine Entscheidung treffen und die Angezeigten blieben in Ungewissheit. Solange diese Fragen nicht geklärt seien, würden sie sich auf ihren Besitzstand (Possess) berufen und die Sache bis zur Entscheidung auf sich beruhen lassen.
Ob damit die Sache beendet gewesen ist, ist aus den Akten leider nicht mehr genau zu ersehen. Wahrscheinlich verlief die Klage ergebnislos, da der Krugdistrikt im Heuer Vertrag nicht exakt angegeben war, wie den Vernehmungen von E. Lange und der Frau von H. Hemcken zu entnehmen ist. Lange war Wirt des Siefkenschen - Kruges am Haferkamp, Frau Hemcken Wirtin im Kreyen - Krug an der Neumarktstraße. Beide erschienen am 10. Dezember 1759 in der Kammer und machten Aussagen zur Frage der Distriktsgrenzen ihrer Krüge. Ernst Johann Lange zeigte an:
1. dass bei dem Krug in weil. Gerd Siefkens Haus ein Distrikt wäre, der sich bis an die Straße nach dem Neuen Markte erstreckte und nach der anderen Seite mit dem Haferkamp endigte.
2. Von dem Kr(a)eyen - Kruge habe er blos die Branntweinschenke gedienstet (gekauft), hierbei wäre ihm aber kein Distrikt verdienstet (verkauft) worden, er meinte sonst (glaubte aber zu wissen), dass der Distrikt vielleicht bis an Witwe Kochs Haus vormals gerechnet wurde.
Henrich Hemckens Frau erschien ebenfalls und zeigte an, dass sie nach ihrem Heuer - Kontrakt gar nicht berechtigt wäre, Branntwein auszuschenken, mithin ein Recht, das sie selbst nicht hatte, auch keinem anderen einräumen könnte. Letztlich erklärte Ernst Johann Lange, er glaube, dass ihm zustände, was die Kaufleute Bultmann und Diekmann für das Branntweinschenken zu zahlen hätten, wie wohl er zufrieden sein wolle, wenn er nur einen Teil davon erhielte, dessen Bestimmung er der Kammer überlasse. Wie die Sache endete, ist aus den Akten leider nicht mehr zu ersehen. Wahrscheinlich verlief die Klage ergebnislos, da die Heuer - Kontrakte auch hier keine exakten Beschreibungen enthielten und die Kammer somit auch nicht entscheiden konnte. (StAOl,
Best. 120b Nr. 1634, S. 2 -12).
In vielen Verträgen war überhaupt kein Distrikt für den verpachteten Krug angegeben. Bei Wiederverpachtungen oder Neueröffnung von Krügen ergaben sich daraus Befürchtungen und Klagen wegen der zu erwartenden Umsatzeinbußen. Als Hinrich von Tungeln, der schon mehrere Krüge in Varel besaß, das Haus von Schepers am Nordende (heute Haus Barbara) gekauft hatte und dort einen Krug betreiben wollte, fühlte sich die Witwe von Johann Hinrich Rhode, die Wirtin des benachbarten sogenannten Rhoden - Kruges am Waisenhaus (später Jürgens), bedrängt. Sie bat die Vareler Kammer um Klärung, ob so nahe bei ihrem Krug ein zweiter Krug zulässig sei. Auf ihre am 15. April 1769 vor der Kammer behandelten Anfrage, ob für ihren Krug ein Krugdistrikt festgelegt sei, erklärt die Kammer, dass in der Kruggerechtigkeit von Rhode bei der Verpachtung kein Distrikt ausgewiesen oder versichert worden sei. So könne sie sich auch nicht darauf berufen.
In ihrem Antragsschreiben schilderte die Witwe Rhodes die Einzelheiten, die ihre Situation erläutern sollten.
Bisher habe sie sich nur kümmerlich von den Einkünften ihres Pachtkruges am Nordende ernähren können. Nur mit der Hilfe Ihres Sohnes, der zu ihrem Unterhalt mit beitrage, habe sie sich durchschlagen können. Nun sei sie von glaubwürdigen Leuten unterrichtet worden, dass der jetzige Besitzer von Harm Schepers Haus, Hinrich von Tungeln, in diesem Haus eine Wirtschaft einrichten und Bier und Branntwein ausschenken wolle. Er habe das Haus schon zu diesem Zweck verheuert. Eine solche Nutzung würde ihr jedoch sehr Schaden und ihre Einnahmen verringern. Sie zahle seit 33 Jahren regelmäßig die Pacht und sei noch niemals angemahnt worden. In Harm Schepers Haus sei vorher auch nie ein Krug gewesen und falls das doch vorgesehen wäre, hatte sie dazu ihre Genehmigung zu geben. Sie sei vielmehr auch davon ausgegangen, dass nach ihrer Krugfreiheit zwischen dem Haus von Hinrich Niemeyer (d.i. ein Haus gewesen, das ge-
genüber dem heutigen Schützenhof an der Langestraße stand) und ihrem Haus keine weitere Krugfreiheit gestattet würde und auch nicht ausgeübt worden sei. So müsse sie die Kammer bitten, sie gegen das Vorhaben von Heinrich von Tungeln zu schützen und wie bisher keine Krugfreiheit zwischen Heinrich Niemeyer und ihrem Krug zu gestatten. Wenn der neue Krug ihr gegenüber gestattet würde, müsse sie um die Erlassung ihrer Pacht nachsuchen, da sie diese dann nicht bezahlen könne. Sie selbst und ihre Familie würden in Armut geraten. Bei Pachtung ihres Kruges sei ihr dieser Sachverhalt nicht bekannt gewesen. Sie hätte dann auch für die Pachtung nicht so hoch geboten. Abschließend hoffe sie, daß die Kammer ihre Gründe anerkenne und zwischen Niemeyer
und ihrem Krug keinen neuen Krug gestatte.
Da der Krugdistrikt für den Rhoden - Krug in ihren Pachtvertrag nicht beschrieben war, musste der Antrag der Witwe Rhode, wie oben erläutert, abgelehnt werden.
Quelle: StAOl, Best. 120b Nr. 1634, S. 14 -17.
Biergüte, Bierprüfung
Die Qualität des in den Gaststätten ausgeschenkten Bieres war sehr unterschiedlich. Das lag nicht nur an den unterschiedlichen Ausgangsstoffen, aus denen das Bier hergestellt wurde. Neben den Fähigkeiten und Kenntnissen der Brauer waren auch kommerzielle Gründe für die häufig beklagte schlechte Bierqualität entscheidend. Es wurde verdünnt oder nicht sorgfältig gelagert. Verdorbenes Bier wurde noch ausgeschenkt. So wurden die Bemühungen, Qualitätskontrollen einzuführen, verstärkt. Bierkontrolleure bereisten die Gaststätten und beurteilten das ausgeschenkte Bier. Berichte über derar-
tige Kontrollen häufen sich in den Jahren nach 1800. Da objektive Maßstäbe fehlten, waren die Wirte häufig auf die Erfahrungen der Prüfer und deren Großzügigkeit angewiesen. Auch von willkürlichen Beurteilungen und Schikanen wird berichtet. In Varel gab es 1824, ebenso wie in der Herrschaft Jever, das Institut der Wröger (StAOl, Best. 70 Nr. 3786, Bl. 29; auch Gerstensaft und Hirsebier, S.176), deren Aufgabe es war, die Biere der Herrschaft zu kontrollieren. Schon vor 1823 werden in diesem Zusammenhang Bierwaagen erwähnt, mit deren Hilfe die Schwere (spezifisches Gewicht) des
Bieres gemessen werden sollte.
Bierwaagen sind hydrostatische Waagen (Aräometer, der neue Brockhaus, Bd. l S. 300 und Bd. 2 S. 634), die zur Bestimmung des spezifischen Gewichts flüssiger Körper verwendet werden. Ein Schwimmkolben aus Glas, der mit einer Messflüssigkeit (häufig destilliertes Wasser) gefüllt ist, wird in ein Gefäß mit Bier gestellt. Die Eindringtiefe des Glaskolbens ist ein Maß für das spezifische Gewicht und damit für den Alkoholgehalt des Bieres. Da Bier mit hohem Alkoholgehalt leichter ist als Bier mit geringem Alkoholgehalt, sinkt der Kolben beim Bier mit hohem Alkoholgehalt tiefer ein, als bei einem Bier, das wenig Alkohol enthält und daher früher als minderwertig eingestuft wurde. Je nach Skalenteilung sind die Messwerte in Prozent Alkohol oder auf einer Skala mit Gradeinteilung in Grad abzulesen. Die Angaben in Grad waren früher die übliche Form. Bei einer Messung, die Vareler Kontrolleure 1833 durchführten, findet man Angaben von 5 bis 7 Grad als gut bewertet, ein Bier mit 4 Grad als zu leicht (im Sinne von zu geringem Alkoholgehalt, StAOl, Best. 120a Nr. 344, Bl. 10 u. 15). Wenn die Messungen vergleichbar sein sollten, musste immer bei gleichen Temperaturen gemessen werden. Darin lag eine der Quellen für Ungenauigkeiten bei Messungen vor Ort, wohl der Hauptgrund, weswegen sich die Bierwaagen in früherer Zeit nicht durchsetzten. Abgebildet sind derartige Bierwaagen, wie sie 1829 in Jever verwendet wurden, in Abbildung 90.
Streit gab es häufig über die verwendeten Geräte und Messtemperaturen. Krüger und
Brauer beanstandeten, daß die Bierwaagen derWröger keine einheitlichen Messskalen
hätten.Auch seien die Messtemperaturen in den Räumen und bei den Flüssigkeiten
nicht genau einzuhalten. Genaue und vergleichbare Werte seien so nicht abzulesen. Für
die Praxis waren die damals entwickelten Geräte somit nicht gut brauchbar. Außerdem
war die Methode nicht geeignet, um den Geschmack des Bieres zu beurteilen. Weil sie
darüber hinaus auch zu teuer erschien, stieß sie im Lande auf große Widerstände und
wurde nicht allgemein eingeführt. So schlug die Oldenburgische Regierung am 28. Ok-
tober 1820 (StAOl, Best. 70 Nr. 3786, Blatt l) mit einen Rundschreiben an die Ämter des
Landes vor, wieder auf die bewährten einfachen Kontrollmethoden zurückzugreifen.
Neben der Kontrolle über Maße und Gewichte werden in dem Schreiben den Ämtern
eine strenge Aufsicht über Güte und Preiswürdigkeit der notwendigsten Lebensmittel
auferlegt. Besonders hervorgehoben wurde hier die Bedeutung der Kontrollen für Ge-
treide, für Fleisch und für Bier. Dem Bier solle eine vorzügliche Aufmerksamkeit gewid-
met werden. Die Verbesserung dieses im allgemeinen mit wenigen Ausnahmen im hiesigen
Lande schlecht bereiteten Getränks ist in vieler Hinsicht, insbesondere um dem Hange
zum Branntweintrinken entgegen w wirken, außerordentlich wünschenswert und die
Ämter werden daher aufgefordert sich derselben mit Sorgfalt und Thätigkeit anzuneh-
men. .
Die Regierung hielt die bisher geübte Praxis, dass jeder Bier brauen durfte, für ein
Haupthemnis, um die Bierqualität zu verbessern. Sie beabsichtigte daher, jegliches Bier-
brauen, das nicht für den eigenen Bedarf erfolge, nur mit einer Konzession zu gestatten.
Ausgenommen sollten davon die Städte Oldenburg, Delmenhorst und Jever sein. Eine
solche Konzession sollte nur an Personen mit Sachkenntnis erteilt werden. Jeder der
nach dem l. März 1821 noch Bier brauen wollte, das er nicht selber benötigte, musste
sich beim zuständigen Amte melden und seine Sachkenntnis nachweisen. Die Ämter
sollten darüber wachen, dass die Brauer preiswürdiges Normalbier brauten und darüber
der Regierung regelmäßig berichten. Das ausgeschenkte Bier sollte durch Kirchspiel-
vögte und Sachverständige geprüft, ungenießbares müsse weggegossen werden. Objek-
tive Qualitätsmaßstäbe und genauere Anweisungen über die Durchführung der Kon-
trollen waren in dem Rundschreiben jedoch nicht genannt. Die Prüfungen blieben
daher weiterhin nicht vergleichbar. Damit konnte auch diese mit großem Anspruch an-
gekündigte Verordnung keine objektive Verbesserung der Bierprüfungen bringen.
Wie nach diesem Rundschreiben verfahren wurde, zeigt der Bericht des Amtes Bock-
horn vom 20.0ktober 1821. Dort hatten sich 8 Brauer, im Kirchspiel Zetel 10 Brauer um
eine Konzession beworben. Den Brauern wurde zur Auflage gemacht, ihr Bier nicht
Der Hayen-Krug an der Neumarktstrasse
Ab Mai 1746 pachtete der „ Conductor" Diederich Hayen den freien Krug am Stidende. Das muss nach denAufzeichnungen von Luths das ,,Neue Haus" heute ,,Friesenhof" gewesen sein, denn dort ist Hayen fur die Jahre 1744 -1746 als Pachter genannt. Die jahrliche Pacht betrug 6 Reichsthaler. Hayen hatte den Krug schon in den Jahren davor gepachtet (StAOl, Best. 120a Nr. 340, S. 31 ff). Bereits 1747 musste er fur den Krug Konkurs anmelden und der Krug sollte von der Kammer neu verpachtet werden. Hayen wollte jedoch die Pacht behalten und bot der Kammer an, fur die Pacht eine Bürgschaft zu beschaffen. Die Kammer willigte ein, wenn er die Btirgschaft innerhalb von 8 Tagen beibringen konne. Sonst musse der Krug anderweitig verpachtet werden. Gleichzeitig
hatte Johan Henrich Scheeper 10 Reichsthaler Pacht fur den Krug geboten. Eine Entscheidung über sein Angebot wurde aufgeschoben mit dem Hinweis, dass Hayen eine Frist von 8 Tagen erhalten habe. Erst danach konne man fiber das Angebot von Scheeper verhandeln. Hayen hatte wahrscheinlich Erfolg mit der Bürgschaft, denn erst 1752 wurde der Krug an Hero Wilh. Mencke erneut verpachtet. Hayen wechselte zur NeumarktstraBe 5 und machte dort einen nach ihm benannten Krug neu auf. Als Wirt muss Hayen nicht erfolgreich gewesen sein. Denn schon 1771 war dieser Krug in A. Miillers Haus an Oltmann Tyen übergegangen, wie aus den Akten zur Verlegung des HayenKruges zum Haferkamp zu entnehmen ist. Der Krug behielt aber den Namen HayenKrug. Als die Verlegung des Kruges zum Haferkamp scheiterte, verlegte Oltmann Tyen (Thien) den Krug wieder an den Neumarktplatz 6 zurtick (heute: ,,Neues Haus", s. AbschnittIII,A20).
Quelle: StAOl, Best. 120a Nr. 340, S. 31ff